Was werden wir antworten? Wenn es wahr ist, daß Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß Er ihr die leibliche Gegenwart Seines einzigen Sohnes schenkte, werden wir dann nicht auch annehmen - da es ja nicht in sich unmöglich ist -, daß Er die Welt genügend lieben kann, um ihr die leibliche Gegenwart dieses Seines einzigen Sohnes zu lassen?
Wenn die leibliche Gegenwart Christi, des damals leidensfähigen Christus, notwendig war, um die Menschen um das Erlösungsopfer zu versammeln, das Er vollenden wollte, werden wir dann nicht sagen - immer vorausgesetzt, daß dies ja in sich nicht unmöglich ist -, daß dieselbe leibliche Gegenwart Christi, des jetzt verherrlichten Christus, nicht weniger notwendig ist, damit Er in jedem Augenblick der Zeit das Gegenwärtigsein des Erlösungsopfers unter uns geheimnisvoll vervielfältigen und wirksam machen kann? Dieses Opfer hat Er zwar ein einziges Mal am Kreuz vollbracht, aber seine blutenden Strahlen müssen unaufhörlich, in gewaltigen Strömen, mit großer Explosivkraft die Fin- sternisse der Welt durchdringen, um hier den Tod des Herrn und die Vergebung der Sünden zu verkünden, um das Gottesreich aufzubauen(2) und das Reich des Bösen zu Fall zu bringen(3).
Da jedoch Christus uns am Tage Seiner Himmelfahrt verlassen hat, um in die Herrlichkeit des Himmels einzugehen, wo Er in der Ihm eigenen und natürlichen Erscheinungsweise lebt, ist es klar, daß Er gegebenenfalls uns nun hier auf Erden nur in einer anderen Weise leiblich gegenwärtig sein kann als in dieser ihm eigenen. Es ist klar, daß es seitdem für den einen Christus zwei Weisen des Gegenwärtigseins gibt: die eine im Himmel, die primäre, ursprüngliche, seiner Natur entsprechende; die andere unter uns, verborgen, geheimnisvoll und sakramental. Wir könnten sagen, es ist fast so, wie ja auch eine einzige Mutter auf zweierlei Art leiblich gegenwärtig sein kann: ganz offen sichtbar für eines ihrer Kinder, das taub ist, und auf verborgene Weise für ein anderes Kind, das blind ist.
Menschlich gesehen sind diese Dinge unsinnig. Die Kirche kann sie wohl wünschen, sie als wünschenswert erträumen. Sind sie aber wahr? Sind sie überhaupt möglich? Wer soll es ihr sagen? Jedoch sie schlägt hier einfach die Hl. Schrift auf und trifft auf die Stellen, wo es heißt: "Vor dem Osterfeste, als Jesus wußte, daß Seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater zu gehen, und da Er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, liebte Er sie bis ans Ende" (Joh 13, 1); und: "Er nahm in der Nacht, in der Er verraten wurde, Brot und, nachdem Er Dank gesagt hatte, brach Er es und sprach: "Dies ist mein Leib, der für Euch da ist; tut dies zu meinem Andenken" (1 Kor 11, 24).
Wie sollte sie sich da nicht in ihrem Herzen getroffen fühlen? Könnte man da nicht ganz leise ihre Antwort hören: "Ich hatte es vorausgeahnt! Dies ist noch mehr, als ich geahnt hatte"!
Nun ist es klar für sie: Die Liebe, die den Sohn Gottes dazu bewogen hat, leiblicherweise in unsere Mitte zu kommen, hat Ihn auch dazu bewogen, leiblich bei uns zu bleiben. Wollte man das Geheimnis der Eucharistie ablehnen, so hieße dies notwendig, auch den Sinn des Geheimnisses der Menschwerdung verkennen.
Kommen wir zurück zur Eucharistie. Es ist das Wesen des Brotes, so sagten wir soeben, das von der Transsubstantiation erfaßt wird, nicht seine zufälligen Eigenschaften, seine physikalisch-chemischen Besonderheiten. Und es sind genau die Akzidentien oder physikalisch-chemischen Eigenschaften, die allein unter den direkten Zugriff der physikalischen und chemischen Wissenschaften fallen. Diesen Bereich soll man ihnen lassen; das ist alles, was sie beanspruchen. Sie disputieren nicht, um zu erfahren, ob diese Eigenschaften ein tragendes Wesen haben - wie wir es ganz spontan glauben, oder ob es - wie die buddhistischen Metaphysiker meinen - Bewegung ohne Bewegliches geben kann, Veränderungen ohne Verändertes, Eigenschaften ohne Substanz. Das fällt nicht in ihren Bereich. Ebenso bleibt das ganze Geheimnis der Transsubstantiation seiner Wesensbestimmung entsprechend außerhalb ihres Gedankenkreises.
Es sind genaue Worte, sinngerechte Worte. Je zahlreicher die verkleinernden Erklärungen, die Vorwände und Ausflüchte wurden, um so präziser mußte der Ausdruck formuliert werden, um die Erhabenheit und Reinheit der Offenbarung zu bewahren. Die dabei verwendeten Ausdrücke mögen einer Sprache entlehnt sein, die schon philosophisch geformt worden war. Aber das geschah erst, nachdem sie zuvor aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und danach geprüft, kontrolliert und gereinigt worden waren durch das göttliche Licht des Glaubens, das sie nutzbar machte und seinen eigenen Aufgaben anpaßte. Es hätte sie notfalls selbst prägen müssen, - und hat es oft getan - wenn sie nicht schon vorher dagewesen wären. So ist es seither klar, daß sie das Of- fenbarungsdogma nicht irgendeinem philosophischen System dienstbar machen. "Das rechtgläubige christliche Denken", so wurde erst kürzlich geschrieben, "hat aus der hellenistischen Philosophie die Elemente ausgewählt, die ihm brauchbar schienen; es hat die metaphysischen Lehren, die ihm unvereinbar schienen mit seinen eigenen Prinzipien, verworfen; es hat die ursprünglichsten und beharrlichsten Thesen der antiken Metaphysik zurückgewiesen"(10), wie jene von der Ewigkeit der Welt.
Obwohl sie so fachterminologisch formuliert sind, bleiben diese großen Geheimnisse der Dreifaltigkeit, der Menschwerdung und der wirklichen Gegenwart Christi gleichwohl in gewissem Maße dem Glauben der einfachen Gläubigen zugänglich. Wir lehren sie den Kindern im Katechismusunterricht, denn wir halten die kleinen Kinder nicht für unwürdig, diesen Offenbarungen der Liebe Gottes nahezukommen. Es gibt keine esoterische Geheim- lehre im Christentum.
Wir wollen auch ausdrücklich feststellen, daß die Offenbarung von der wirklichen Gegenwart des Gottmenschen in der Eucharistie mit demselben tiefen Glauben, derselben Liebe von der ganzen Kirche im Orient und im Abendlande angenommen ist. Aber da, wo die Angriffe scharfsinniger, berechneter und heftiger waren, wurde natürlich auch die Formulierung genauer ausgewogen.
Viele von ihnen, die sich von diesen immer mehr erleuchteten Annäherungen an das Geheimnis des Abendmahls ermutigt fühlen, beginnen wie wir von der "wirklichen Gegenwart" des "Leibes Christi", sogar von einer "Transsubstantiation" zu sprechen, bezeichnen aber damit etwas, das nichts von alledem ist: Daher kommt eine unvermeidliche Quelle der Verwirrung. Für uns bedeutet "Dies ist Mein Leib": Das ist nicht mehr Brot; das ist Mein Leib im eigentlichen Sinne. Hier ist für uns die "unmittelbare" Gegenwart gegeben, die wirkliche Gegenwart, die wesentliche, substantielle Gegenwart. Und das ist die Transsubstantiation. Für jene aber heißt: "Das ist Mein Leib": Das ist Brot, welches Meinen Leib vermittelt, welches dargeboten wird als Zeichen Meines Leibes, und, wenn es gläubig empfangen wird, eine Vereinigung mit Meinem Leibe ermöglicht, der aber jetzt nur im Himmel sein kann. Es ist Brot im eigentlichen Sinne; es ist "Mein Leib" nur im uneigentlichen Sinne von der bildli- chen Ausdrucksweise her, die mit demselben Namen beides bezeichnet, das Mittel und den Begriff, das Zeichen und das Bezeichnete. Hier ist mittelbare Gegenwart gegeben, Zeichengegenwart, Gegenwart durch Dazwischenstellen einer anderen Wirklichkeit, einer anderen Substanz. Und es gibt dann auch keinen Schatten von einer Transsubstantiation. Wenn eine Mutter mit zärtlicher Liebe die Photographie ihres fernen Sohnes betrachtet, dann ist dies für sie eine mittelbare Gegenwart, eine Gegenwart des Zeichens; wenn es aber an der Tür klopft und ihr Sohn ihr plötzlich in die Arme fällt, dann ist das für sie eine wirkliche Gegenwart, eine wesentliche Gegenwart. Sieht man die große Frömmigkeit, mit der sogar diejenigen die Feier des Abendmahles umgeben, die darin nur eine zeichenhafte Gegenwart des Leibes Christi entdecken konnten, warum sollte man darin nicht ein Versprechen finden, einen Grund zur Hoffnung? In diesem Sinne sind die fortschreitenden Annäherungen an das eucharistische Glaubensgeheimnis segensreich, sie führen hinauf zu größerer Erleuchtung. Als Jesus Seine Jünger fragte, was man vom Menschensohn denke, antworten sie, daß einige in ihm der Elias, Jeremias oder irgendeinen der Propheten sähen. Und diese tadelt Jesus nicht. Ihnen gilt das Wort: "Wer nicht wider Uns ist, der ist für Uns" (Mk 9, 40). Dann wandte sich Jesus an Seine Jünger und sagte zu ihnen: "Und ihr, was sagt ihr, daß Ich bin"? (Mt 16, 15)
Zu allen Zeiten der Geschichte haben sich Menschen von Geist gefunden, keineswegs zu verachtende Persönlichkeiten, fast immer voll guter Absicht und oft große Denker, die für die geoffenbarten Glaubensgeheimnisse sehr einfache Erklärungen vorschlugen, solche, die dem allgemeinen Menschenverstand angepaßt sein sollten und den Wünschen des "Mannes auf der Straße", wie man heute sagen würde. Die Arianer z. B. sagten im 4. Jahrhundert zwar ebenso wie wir, daß Jesus Gott ist, jedoch nur durch seinen Auftrag, weil Er im Namen Gottes wirkte und durch Gottes Autorität. Die Nestorianer erklärten ein Jahrhundert später zwar ebenso wie wir, daß der Sohn Gottes und der Sohn Mariens ein und dieselbe Person seien, jedoch in dem Sinne, wie ein Gesandter eins ist mit dem Fürsten, den er repräsentiert(11). Heute reicht man den Leib Christi, aber man denkt dabei an Brot, das sich auf den Leib Christi bezieht. Immer wieder hat die Kirche sich im Laufe der Jahrhunderte von diesen Erklärungen abgewandt.
Warum sollte man hier nicht die feierlichen Worte zitieren, die bei Gelegenheit des Eucharistischen Kongresses am 10. Juni 1965 in Pisa von S. Heiligkeit Papst Paul VI gesprochen wurden(12): "Die heiligen Zeichen der Eucharistie sind nicht nur Symbole und Bilder Christi, Zeugnisse Seiner Liebe oder Seines Handelns im Hinblick auf jene, die an Seinem Abendmahl teilnehmen; sie enthalten Ihn, Ihn, den lebendigen und wahren Christus, sie bezeichnen Ihn als gegenwärtig, so wie Er in der ewigen Glorie lebt, hier aber gegenwärtiggesetzt ist in Seiner Opfertat, um zu zeigen, daß das Sakrament der Eucharistie in unblutiger Weise das blutige Opfer Christi am Kreuz erneuert und alle diejenigen an der Wohltat der Erlösung teilnehmen läßt, die sich würdig vom Leibe und Blute Christi nähren, das mit den Zeichen des Brotes und Weines umkleidet ist. So ist es, ja, so ist es, cosi è, cosi è [...] Wir sagen das, um gewisse Unsicherheiten zu zerstreuen, die in diesen letzten Jahren entstanden sind als Folge von Versuchen, Erklärungen vorzubringen, die in einer Frage von so großer Wichtigkeit die traditionelle und von der Kirche gutgeheißene Lehre umgehen. Wir sagen dies auch, um euch einzuladen, euch alle, Menschen unseres Jahrhunderts, daß ihr eure Aufmerksamkeit auf diese alte und immer neue Botschaft richtet, welche die Kirche nicht müde wird zu wiederholen: Der lebendige Christus, verborgen unter dem sakramentalen Zeichen, das Ihn uns darbietet, ist wirklich gegenwärtig (...) Die Eucharistie ist ein Geheimnis des Glaubens, ein lebendiges Licht, ein sehr mildes Licht, ein sehr zuverlässiges Licht für den, der glaubt. Eine sehr undurch- sichtige Zeremonie jedoch für den, der nicht glaubt. Wie entscheidend ist doch das Thema Eucharistie, wenn es so zu einer Trennungslinie wird! Wer sie empfängt, ergreift Partei. Er ergreift Partei mit demselben Feuer, wie einst der hl. Petrus: "Herr, zu wem sollten wir gehen? Du hast die Worte des ewigen Lebens" (Joh 6, 58).
Wir führen hier nicht die Enzyclica "Mysterium fidei" vom 3. September 1965 an, denn alles, was wir hier sagen, ist nach unserer Absicht nur dazu bestimmt, in deren Lektüre einzuführen.
1. Am Schluß der Messe des koptischen Ritus in Alexandrien steht das feierliche Bekenntnis des Glaubens an die wirkliche Gegenwart:
"Amen, Amen, Amen, ich glaube, ich glaube, ich glaube. Bis zum letzten Hauch meines Lebens will ich bekennen, daß dies der lebensspendende Leib Deines einzigen Sohnes ist, unseres Herrn, unseres Gottes, unseres Erlösers Jesus Christus. Er hat diesen Leib von unserer Herrin Königin, der allerreinsten Mutter Gottes angenommen. Er hat ihn mit Seiner Gottheit vereinigt, ohne irgendeine Vermischung, Verschmelzung oder Veränderung. Ich glaube, daß Seine Gottheit niemals, auch nicht einen einzigen Augenblick von Seiner Menschheit getrennt war. Er ist uns geschenkt worden für die Vergebung der Sünden, für das Leben und für das ewige Heil! Ich glaube, ich glaube, ich glaube, daß alles so ist".
2. Am Schluß der Leichenrede für die Pfalzgräfin Anna Gonzaga von Cleve, welche zuerst ihren Glauben verloren und dann wiedergefunden hatte, zitiert Bossuet folgende persönliche Notizen der Prinzessin: "Es ist sehr glaubwürdig, daß ein Gott, der unendlich liebt, auch Beweise davon gibt, die der Unendlichkeit Seiner Liebe und der Unendlichkeit Seiner Macht entsprechen; und was der Allmacht Gottes eigen ist, überschreitet weit die Fähigkeiten unserer schwachen Vernunft. Das ist es, was ich mir selbst sage, wenn die Dämonen versuchen, meinen Glauben zu erschüttern, und seitdem es Gott gefallen hat, mir einzugeben, daß Seine Liebe die Ursache von allem ist, was wir glauben, überzeugt mich diese Antwort mehr als alle Bücher". Bossuet fügt hinzu: "Fragt nicht, was in Jesus Christus den Himmel mit der Erde, das Kreuz mit der Erhabenheit geeint hat: So sehr hat Gott die Welt geliebt! Ist es denn unglaubhaft, daß Gott liebt und daß die Güte sich mitteilt? Was läßt mutige Menschen die Liebe zum Ruhm nicht alles unternehmen und was die gewöhnlichsten Menschen die Liebe zum Reichtum! Bei allen ist es schließlich all das, was den Namen Liebe trägt. Nichts zählt mehr, weder Gefahren, noch Anstrengungen oder Mühen. Zu wahren Wundern ist der Mensch fähig! Wenn nun der Mensch, der nichts als Schwachheit ist, das Unmögliche versucht, warum soll dann Gott, um seiner Liebe zu genügen, nichts Außergewöhnliches vollbringen? Nennen wir den Sinngehalt in allen Mysterien: "Gott hat die Welt so sehr geliebt. ... Und wir glauben der Liebe, die Gott zu uns hat" (1 Joh 4, 16). Das ist der ganze Glaube des Christen; das ist Grund und Zusammenfassung des ganzen Glaubensbe- kenntnisses. Hier hat die Pfalzgräfin die Lösung ihrer früheren Zweifel gefunden". Bossuet berichtet noch folgende Worte: "Wenn Gott so große Dinge getan hat, um Seine Liebe in der Menschwerdung zu offenbaren, wieviel mehr tut Er dann, um sie in der Eucharistie zu krönen! Wo Er sich nicht nur allgemein der Menschheit schenken will, sondern jedem einzelnen Gläubigen im besonderen".
3. In "La messe-là-bas" denkt Paul Claudel an diejenigen, die wie Rimbaud oder Mallarmé dem dichterischen Wort eine Kraft abverlangten, die es seiner Natur nach nicht geben kann; an diejenigen, die es am Ende wirkungslos machen. Doch gibt es ein Wort, das über dem dichterischen Wort steht, das Wort nämlich, das der Priester im Augenblick der Wandlung ausspricht, welches kraft der göttlichen Allmacht als Werkzeug imstande ist, das auch zu tun, was es be- zeichnet: "Rimbaud, warum gehst du davon, warum bist gerade du einmal mehr wie das Kind auf den Bildern, das aus dem Hause läuft, zum Tannenwald hin und in den Gewittersturm hinein? Was du so ferne suchtest, die Ewigkeit, die schon in diesem Leben allen Sinnen erreichbare: Erhebe nur deine Augen und schaue geradeaus vor dich hin, sie ist da; sieh das Brot in der Monstranz. Du Geist, der gegen seinen Käfig wütet, der von deinen Schreien und Gotteslästerungen widerhallt. Auf einem anderen Wege müssen wir uns zum Marsch nach Jerusalem rüsten. Du täuschest dich nicht, als du die Dinge gera- dezu verschlingen wolltest, du Dichter ohne die Macht des Priesters, hier ist eines von ihnen, eines, das plötzlich imstande ist, dem Sein als Schleier zu dienen, dieser Gegenstand zwischen Blumen aus trockenem Papier - eben dies ist höchste Schönheit! Jene Worte, die so abgenutzt sind, daß man sie nicht mehr vernimmt, gerade in Ihnen war die Wahrheit, dieselbe, welche die Toten erweckte, das Wort - aber nützt es sich denn ab oder stirbt es denn? Damit der Priester es ausspreche, genügt schon dieses Brot, auf daß es das Wort bleibe, das der ganze Mensch ist, dieser Mensch, welcher zu gleicher Zeit Gott ist. Wir müssen nur den Mund öffnen, um Ihn selbst darin zu empfangen.
Derjenige, der für unser Fleisch Fleisch geworden ist, die Allursache in seinem Leib, der mir zugänglich ist; ich sehe endlich mit meinen Augen, daß das höchste Besitzen möglich ist! Möglich nicht nur für unsere Seele, sondern für unseren Leib! Möglich also für den ganzen Menschen schon in diesem Leben, und weiß, daß er mächtiger ist als der Tod! Der Schleier, mit dem die Dinge verhüllt sind, ist an einer Stelle für mich durchsichtig geworden. Ich umfange ja das Wesen mitten durch alle Äußerlichkeiten hindurch".
Mehr noch als das Haus des christlichen Volkes ist die Kirche das Haus Christi. Ein Geheimnis, eine Gegenwart erfüllt die ärmste katholische Kirche. Sie ist bewohnt. Sie wird nicht nur durch die Bewegung lebendig, welche das Hin und Her der Menge mit sich bringt. Sie ist selber schon vorher Quelle des Lebens und der Reinheit, für jene, die ihre Schwelle überschreiten. Sie besitzt die wirkliche Gegenwart, die leibliche Gegenwart Christi, den "Ort" wo die höchste Liebe unsere menschlichen Natur berührt hat, um mit ihr eine ewige Vermählung zu feiern, die strahlende Lichtquelle, welche imstande ist, das ganze Drama der Zeit und der menschlichen Torheit zu erleuchten.
Jeder kann hier hereinkommen und dem Jesus des Evangeliums in der Stille ganz persönlich und vertraut begegnen. Jeder, wie groß auch seine Unwissenheit sein mag, wie groß seine Fehler, deren Erinnerung ihn zu Boden drücken kann, oder seine geheimen inneren Nöte - jeder kann es wagen, Ihm nahe zu kommen, so wie einst die Sünderin im Haus des Pharisäers Simon. Jeder kann zu Ihm schreien wie der Blinde in Jericho und Ihm sagen: "Herr, gib, daß ich sehe"!
Wenn ein aufrichtiger Mensch sich bei Ihnen erkundigt, was er tun solle, um die Wahrheit zu finden, dann fordern Sie ihn auf - und zwar vielleicht schon bevor Sie den Katechismus und die christlichen Glaubensgeheimnisse erklären, auch bevor Sie ihn mitten in die Menge der Gläubigen führen, wo er sich fremd fühlen könnte und wo die Gefahr bestände, daß ihm die Kirche wie ein Verein unter anderen vorkäme - fordern Sie ihn auf, er solle sich jeden Tag einen Augenblick mit dem Evangelium in eine Kirche setzen, zu einer Zeit, wenn nie- mand dort ist. Danach wird er verstehen können, daß die wirkliche Gegenwart der Seinsgrund für die Fortdauer der Kirche durch Raum und Zeit bis zur Wiederkunft Christi ist.
Es gibt viel zu viele häßliche Kirchen in unserer Zeit, als daß man immer vorbehaltlos mit dem Psalmisten von der Schönheit des Hauses Gottes sprechen könnte. Die Schönheit ist ein heiß ersehnter Wunsch. Aber es ist etwas anderes, wenn es sich darum handelt, daß man von der Begegnung einer Seele mit dem sakramentalen Christus spricht. Das kann eine große Beseligung sein, ein Augenblick im Paradies. Es kann auch sein wie der Schrei des Elends und der Ohnmacht, eine Art Kampf und Todeskampf. Es kann auch noch ein heftiger Angriff, manchmal ein wilder Angriff sein, ein Strahl des blutigen Kreuzes, der die Seele bis in ihre Tiefen erschüttert.
1. Kardinal CHARLES JOURNET, La présence réelle du Christ sacramenté, Vortrag bei den "Conférences de Saint-Louis de France" in Rom am 14. 10. 1965, Nova et Vetera 40 (1965) 275- 289. Übersetzt von Johannes Stöhr
2. Unabhängig von der Vereinigung mit Christus durch die Liebe und die eucharistische Kommunion stellt gerade der Vollzug der Konsekration, d. h. des Gegenwärtigsetzens Christi in eben dem Augenblick Seines blutigen Erlösungsopfers (ut opus nostrae redemptionis exercetur: damit das Werk unserer Erlösung gewirkt wird) auf geheimnisvolle Weise das geistige Gleichgewicht der Welt wieder her. Der Priester, der das Zelebrieren unterläßt, und sich mit dem Kommunizieren begnügt, weiß nicht, was er als Priester ist, und warum die Kirche ihn geweiht hat.
3. AMBROSIUS: "Wenn wir den Tod des Herrn verkünden, dann verkünden wir die Nachlassung der Sünden. Ja, jedesmal, wenn Sein Blut vergossen wird, wird es für die Vergebung der Sünden vergossen; ich muß es immer empfangen, damit es mir immer meine Sünden nachlasse. Ich der ich immer sündige, ich muß immer ein Heilmittel haben" (De sacramentis, 4, 28 [SC 25,1 p. 86-87]). (Nb.: Es soll sich bei dieser Schrift allerdings nur um eine altes dem Ambrosius zugeschriebenes Werk handeln.)
4. JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Hom. in Joh. 47, 2 (PG 59, 265)
5. AUGUSTINUS, In Ev. Joh 6, 64, c. 27, n. 5 (CChr 36, 271-272)
6. AMBROSIUS, De sacramentis, c. 4, 13-20 (SC 25, 1 p. 86-87)
7. AMBROSIUS, Ebd. (SC 25, 1 p. 82-84)
8. Daher die Worte 'transatlantisch', 'transferieren' usw. 9. CONCILIUM TRIDENTINUM, Sess. 13, c. 4, can. 2 (DS 1642, 1652 [D 877, 884])
10. CLAUDE TRESMONTANT, Les ideés maítresses de la métaphysique chrétienne, 1962, p. 15
11. Nach RUDOLF BULTMANN "ist die Formulierung Christus ist Gott falsch, wenn dabei unterstellt wird, daß Gott eine objektivierbare Größe ist. ... Sie ist richtig, wenn Gott verstanden wird als das Geschehnis einer Handlung Gottes". ... Mit anderen Worten: Christus ist, als er den Beginn der Zeit des Heiles verkündet, das eschatologische Ereignis, durch welches die Begegnung zwischen uns und Gott geschieht. "Das Herr-sein Christi, seine Göttlichkeit, ist immer nur ein Ereignis". - L'interprétation du Nouveau Testament, Paris, Aubier 1955, 231. Daher wirft BULTMANN dem Ökumenischen Rat der Kirchen vor, er habe in Amsterdam offiziell "Jesus Christus als Gott anerkannt".
12 PAUL VI, OssRom 12. 6. 1965