Einige Tips für die Vorbereitung von Seminararbeiten

Zur Konzeptniederschrift

Erstelle die Gliederung; nicht nach Schlagworten, sondern nach dem inneren notwendigen Zusammenhang. Dabei die sachgerechte Anwendung der logischen Regeln von Über- und Unterordnung bzw. Nebenordnung prüfen. Also nicht: "Äpfel, Obst, Birnen, Rhabarber, Gemüse, Vegetarier".

Das Ziel der Arbeit muss unmissverständlich klar sein; die "ratio formalis" ist maßgebend für alle Teile. Also kein vorwiegend assoziatives Nebeneinander von Tatsachen, Eindrücken bzw. abstrakten Überlegungen. Vermeide unnötige Selbstreflexionen, problematische Methodendiskussionen, ballastartige Häufung von Hypothesen, emotional-subjektive Stimmungsbilder.

     Prüfung der Konzeptniederschrift.

 1. Gedankliche Durchprüfung

 a) Ist der Sinn des Themas genau erfasst? Ist es auch wirklich behandelt?  Ist die Zielsetzung erreicht worden? Wurden alle wesentlichen Aspekte des Themas behandelt und nicht betrachteteAspekte begründet ausgeschlossen?

 b) Entspricht die Gliederung dem Thema und die Ausführung der Gliederung?

 c) Enthält die Ausführung überhaupt eine klar formulierte These oder verläuft die ganze Erörterung in unbestimmter Meinungslosigkeit?

 d) Versucht die Ausführung, ernstlich zu begründen?

Eine Behauptung ist noch kein Beweis; eine blendende Formulierung ist noch kein Beweis; ein treffender Vergleich ersetzt keinen Beweis; Begeisterung ist kein Beweis und Entrüstung keine Widerlegung.

 e) Sind die Beweisgrundlagen gesichert? Gehen die Überlegungen wirklich von anerkannten Tatsachen und gültigen Prinzipien aus? Oder hängt sie etwa gar von billigen Pauschalurteilen ab?

 f) Ist die Beweisführung logisch zwingend und frei von Fehlschlüssen? Ist der ganze Umfang Deiner These bewiesen oder nur ein Teil?

 2. Stilistische Durchführung

 Die Sache regiert den Gedanken; der Gedanke regiert den Stil. Eine Sache ist erst dann klar gedacht, wenn Du den treffenden Ausdruck dafür gefunden hast. Darum frage:

 a) Ist der Stil sachnahe?

Rede nicht umständlich um die Dinge herum, sondern lasse die Sache selbst sprechen.

Meide die Inflation des Indirekten, etwa: Ich stelle fest, dass Scotus den hl. Thomas missversteht, wenn er meint, dass dieser sagen wolle, dass Augustinus das genannte Schriftwort dahin deute, daß es enthalte, dass ...

 b) Ist der Stil echt?

Sage, was Du selbst gedacht hast, mit Deinen eigenen Worten. Abschreiber haben keinen, geistig Überfremdete keinen echten Stil. Von großen Vorbildern soll man lernen, aber sie nicht kopieren und imitieren: "Nicht Schillern und nicht Goethen", aber auch nicht Rilken und nicht Kierkegaarden! Und schon gar nicht Heideggern oder Rahnern! Meide den kitschigen Fassadenstil der Nachschwätzer!

 c) Ist der Stil klar?

Oder enthält er Mehrdeutiges, Doppelsinniges, Missverständliches, Ungefähres? Dann feile so lange, bis er eindeutig klar und allgemein verständlich ist. Lass es Dich nicht verdrießen, tagelang nach dem einzig treffenden Wort zu suchen, und sage nicht Dinge, die Du eigentlich gar nicht sagen wolltest, bloß weil Dir kein besseres Wort einfiel oder weil die Sprache mit Dir durchging. Unklarheit zeugt nicht von Tiefe, sondern von Verworrenheit; drum meide den dunklen Stil der Wirrköpfe!

Probe der Klarheit: Kannst Du das Wesentliche Deines Gedankengangs aus dem Stegreif in Deinem Heimatdialekt einem einfachen Menschen klarmachen? Immer ist diese Probe freilich nicht möglich, denn ...

 d) Ist der Stil schlicht?

Enthält er Übertreibungen oder sachlich nicht notwendige Kompliziertheiten? Misstraue den großartigen Worten und meide den manierierten Subtilismus der Überklugen. Vermeide unbedingt schwammige Modewörter, wie z.B. "Konzept", "relevant", "Struktur", "Hinterfragen" usw. 

 e) Ist der Stil nüchtern?

Lass Dich nicht von einem Bild blenden, sondern dringe durch das Bild hindurch zum Begriff vor. Verzichte nie auf die Nüchternheit der Wahrheit aus Verliebtheit in eine imponierende Formulierung. Meide unangemessene Aktualisierungen und den Reizstil der Sensationshascher.

Nüchternheit ist aber weder Langweiligkeit noch Farblosigkeit. Deine Nüchternheit sei eine ebria sobrietas. Wenn Du eine klare Einsicht zu einem plastischen Bild oder zu einem treffenden Vergleich verdichten kannst, so tue es. Meide den blutarmen Stil phantasieloser Begriffsakrobaten. 

 f) Ist der Stil knapp?

Sage alles Notwendige, aber tilge alles Überflüssige. Stil heißt: Weglassen. Meide den diffusen Stil der Unkonzentrierten und die langweilige Breite der Wortemacher. Streiche mitleidlos jeden unnötigen Abschnitt, jeden entbehrlichen Satz, jedes unnütze Wort. 

Nicht: Nach dem Verlauf unserer bisherigen Darlegungen sind wir jetzt bis zu dem Punkt gelangt, daß wir an den uns hier interessierenden Autor die Frage richten können: Was versteht er unter der Heiligkeit der Kirche. Dabei wollen wir, diese Frage präzisierend, feststellen, dass wir die Heiligkeit der irdischen Kirche meinen, da ja die Heiligkeit der himmlischen, jenseitigen Kirche wohl von niemand bestritten wird.

Sondern: Nun können wir fragen: Was versteht Wiclif unter Heiligkeit der Kirche, und zwar der irdischen Kirche? - Wortverlust: 75 %; Gewinn an Straffung des Ausdrucks und inhaltlicher Substanz: 75%!

Kannst Du etwas nicht ganz streichen, so kannst Du sicher kürzen.

Überlege, ob Du nicht einen Abschnitt in einen Satz, einen Satz in eine Parenthese, einen Nebensatz in ein Attribut verwandeln kannst.

Achte besonders auch auf die Strukturpartikel ("und, auch, aber, denn, folglich, also, weil, zwar, freilich, obschon, sondern, doch, zwar nicht, nur dass, wenn nur, weil ja, nur dass", usw.); sie geben Deinem Stil Zusammenhang und innere Spannung.

Kannst Du einen Satz mit "geschweige denn" und "wenn anders" bilden? 

g) Literaturauswertung 

Existiert eine wirre Mischung aus Grundlagenliteratur und themenspezifischer Literatur, aus populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Literatur? Sind maßgebende aktuelle Angaben berücksichtigt? Wurden Internetrecherchen vorgenommen?  Sind Quellen aus zweiter Hand ungeprüft übernommen?  Besteht ein direkter Bezug vom behandelten Thema zur Literatur?  Sind die Zitate ungenau, unangemessen verkürzt oder immer nachvollziehbar?

Allgemeine Hinweise für das Arbeiten

1) Nicht die umfangreichste Arbeit ist die beste, sondern die kürzeste, wenn inhaltsreichste und gründlichste.

2) Fange mit der Arbeit sofort an, nicht erst einige Tage vor Fälligkeit Deines Referates. Verschiebe nicht auf morgen, was Du sofort tun kannst. Dann bleibt Dir auch Zeit für schöpferische Pausen (Mk 4,26).

3) Arbeite intensiv, mit Hingabe und Konzentration. Dann kommst Du rascher mit Deiner Arbeit voran. Was Du tust, mach es sofort richtig und ganz. Flüchtigkeit ist nie Zeitersparnis.

4) Liebe die Genauigkeit im Detail. Baue mit zuverlässigen Steinen. Deine Zettelnotizen seien absolut exakt; die Zitate in genauem Wortlaut mit genauem Fundort.
Nicht: Ich erinnere mich dunkel, irgendwo gelesen zu haben, dass bei Thomas irgendwo etwas nach dieser Richtung steht.
Wenn du in der Arbeit Sätze oder Teilsätze einfach übernimmst, ohne sie als wörtliches Zitat kenntlich zu machen,  näherst du dich einem Betrugsversuch!  Auch ein "nur" sinngemäßes Übernehmen von Textabschnitten oder  fremder  Informationen ist ein indirektes Zitat und muss entsprechend deutlich gemacht werden (etwa durch  "vgl." oder  indirekte Rede)

5) Arbeite ökonomisch, rationell, planvoll. Verliere Dich nicht in lauter leichte Nebensächlichkeiten.

Gehe sorgsam mit Deiner Zeit um, mit dieser Deiner kostbaren Studienzeit!

Sage nicht: Was kann man in dieser Zwischenstunde schon viel tun? (Harnack schrieb seinen Marcion in den akademischen Viertelstunden). Lege am Abend ein Arbeitspensum für den nächsten Tag handgerecht bereit.

Wenn Du nie fertig wirst, so frage Dich: Warum nicht? Vielleicht musst Du konzentrierter und damit flüssiger arbeiten lernen; vielleicht bist Du zu passiv und lässt Dich von allen Eindrücken treiben; vielleicht hast Du Deine Kräfte überschätzt und Dir zu viel vorgenommen.

6) Lerne Deine individuellen Arbeitsfehler kennen!

Magst Du nicht anfangen, oder fängst Du zu viel an? Kannst Du nicht durchhalten oder willst Du nicht aufhören? Bleibst Du im Detail stecken und fällt Die die denkende Überschau schwer, oder bewegst Du Dich prinzipiell nur in allgemeinen Ideen und Programmen und meidest die Berührung mir konkreten Tatsachen? Bist Du vorschnell oder starr im Urteil, oder schwebst Du stets entscheidungslos zwischen allen Meinungen? Bist Du zu beeindruckbar oder zu unaufgeschlossen? Verbohrst Du Dich in abseitige Randfragen? Hast Du eine Vorliebe für verstiegene und absonderliche Ansichten, oder fühlst Du Dich nur sicher in der Deckung einer Kollektivmeinung? Neigst Du zu vorschnellen Verallgemeinerungen? Z. B. "Die Theologie", "die Kirche" (wenn es sich evtl. nur um ein nationales Zitier- und Lobekartell handelt !). Vorsicht besonders bei pauschalen Verneinungen; schon ein einzelfall beweist das Gegenteil (negatio est malignantis naturae !)

Richtest Du Dein Studium nur auf das Examen, auf Lehrer, Vorlesungsskripten und Lehrbuch aus, oder sehnst Du Dich wirklich nach Erkenntnis der Wahrheit? Gibst Du dich schon mit Worten, Formeln, Meinungen zufrieden, oder suchst Du Überzeugung und Begründung?

Beschäftigst Du dich mehr mit dem Sammeln von Hypothesen verschiedenster Autoren, oder geht es Dir zuerst um die Wahrheit selbst?

Scientia non terminatur ad enuntiabile, sed ad rem (Thomas von Aquin)

Hast Du noch keine rechte Freude am theologischen Studium, weil unentschiedene Berufsfragen Dich noch zu sehr beanspruchen?

Das Ringen mit Deinen Arbeitsfehlern sei nicht der kleinste Teil Deiner Aszese!

7) Übe auch Dein Gedächtnis!

Kultur lebt aus der Erinnerung. Wenn Du Dein Gedächtnis verwahrlosen läßt, verarmt Dein Inneres; der Boden, auf dem neue Einsichten wachsen sollten, versandet; Deine Urteilskraft verkümmert, weil Du zu wenig in Dir hast, woran Du neue Eindrücke messen könntest.

Kommt Dein schwaches Gedächtnis aus Mangel an Vorstellungskraft, aus Mangel an geistigem Einordnen, aus Mangel an personalem Betroffensein (Jak 1, 23), aus Mangel an Eifer, Liebe und Interesse, aus Mangel an Bewusstsein und Sammlung, an Sorgfalt und Übung?

Ingenium invenit et memoria custodit sapientiam (Hugo von St. Viktor, PL 176, 771).
Meditationes recolendo memoriam salvant (Aristoteles, De mem. c. 1). Vgl. Thomas, S. Th. II. II. 49, 1.

Verachte es nicht, wichtige, gut formulierte Sätze auswendig zu lernen und öfters zu wiederholen: Schrifttexte, Väterstellen, Konzilsentscheidungen, Hymnen. Warum hast Du noch keine Sammlung guter Sentenzen?
Legere et nihil selegere neglegere est (J. Drexelius).

8) Lies Werke guter Autoren, auch nichttheologische; aber lies sie ganz, lies sie nicht nur an! Ferienprogramm!

9) Stärke die Bildkraft Deiner Sprache! Sie darf aber nicht lediglich anempfunden oder angelesen sein, sondern muß aus Deinem Inneren kommen, aus der Intensität Deines geistigen Lebens.

10) Hüte in wacher Verantwortung das Ethos Deines theologischen Studiums!

Du willst Gott lieben aus ganzer Seele; willst Du Dich nicht auch etwas plagen, ihn kennen zu lernen?


   LITERATURHINWEISE:

STEGMÜLLER, F., Ziele und Wege der Seminararbeit, 3. Aufl. Freiburg 1958 (eine Hauptquelle für obiges)

STÖHR, J., Studium und Spiritualität, Anregungen zu Meditation und Gebet, St. Augustin 1979, 132 S. (erweitert: Estudio y Espiritualidad, Bamberg 1996, 158 pp.)(250 Texte; Original und spanische Übersetzung)

Franck, Norbert; Stary, Joachim,  Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens,. Paderborn u.a.: Schöningh 2002.

Wolfram E. Rossig / Joachim Prätsch, Wissenschaftliche Arbeiten - Ein Leitfaden. Bremen 1998

Bänsch, Axel, Wissenschaftliches Arbeiten, Seminar- und Diplomarbeiten, 5. Aufl., München, Wien 1998

KRÄMER, Walter, Wie schreibe ich eine Seminar-., Examens- und Doktorarbeit,
     Gustav Fischer: Stuttgart 1995

Theisen, M. R., Wissenschaftliches Arbeiten: Technik - Methodik - Form, 8. Aufl., München 1997

BRENDEL, M.; BRENDEL, F., Richtig recherchieren. Institut für Medienentwicklung und Kommunikation, Frankfurt 1998

POENICKE, K., Die schriftliche Arbeit. Materialsammlung und Manuskriptgestaltung für Fach-, Seminar- und Abschlußarbeiten an Schule und Universität (Duden), Mannheim [u.a.] 1985. {DM 5,90}

VIVES, J., Normas para el trabajo cientifico. Esquemas de Metodologia, Barcelona 1947

STOCK, A., Umgang mit theologischen Texten. Methoden-Analysen-Vorschläge, Zürich- Einsiedeln-Köln 1974

STANDOP, E., Die Form der wissenschaftlichen Arbeit, 8. Aufl. Heidelberg 1979 (Uni- Taschenbücher, 272) ISBN 3-494-02022-1

RÜCKRIEM, G.; STARY, J.; FRANCK, N., Die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens. Eine Praktische Anleitung, (10. Aufl.). UTB/Schöningh,  Paderborn 1997

Runkehl, Jens / Siever, ThorstenDas Zitat im Internet. Ein Electronic Style Guide zum Publizieren, Bibliographieren und Zitieren, Hannover 2000ISBN: 978-3-927715-83-7

REINERS, L., Stilfibel, München 1963

WERDER, Lutz von, Kreatives Schreiben in den Wissenschaften. Für Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung. (2. Aufl.), Schibri-Vlg: Berlin 1995

Hundt, Sönke, Hinweise zum Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten, 1998, 2001

Institut für Politikwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen, Wie schreibe ich eine Hausarbeit und andere Seminararbeiten?

Liturgiewissenschaft Münster, Anlage und Aufbau einer wissenschaftlichen Hausarbeit im Fach Liturgiewissenschaft, 5. Aufl. Münster 2005

Burchard, Michael, Leichter studieren. Wegweiser für effektives wissenschaftliches Arbeiten, 4. Aufl. Berlin 2006

Merk, G.Zitate, Anmerkungen und Literaturhinweisen in Diplomarbeiten, Siegen  (PDF)

Stöhr, J., Richtlinien für die Erstellung von Beiträgen in  der Zeitschrift Sedes Sapientiae 

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